Aussen-Beitrag an unser Klasse 37-38 von Martin Odermatt-Perez in Kolumbien
(ehemaliger Lehrer in Kerns)
Liebe 37+38igerinnen und 37+38iger – Schule Kerns
cc:martin odermatt
Noch begleitet uns der Eindruck vom Tod von Noldi Röthlin. Gerne erzähle ich von meiner ersten Begegnung mit ihm.
Januar 1975. Kantonales Seminar Luzern im Hirschengraben. Das Jahr der grossen Entscheidungen, einerseits die Patentprüfung und anderseits natürlich die grosse Frage: Wohin verschlägt es mich? Bekomme ich überhaupt einen Posten als Lehrer?
Einige der Seminarkolleginnen und Kollegen haben ihre Stelle schon, es scheint noch genügend offene Stellen zu geben.
Wo soll ich mich bewerben? Meine Mutter ist Hergiswilerin, mein Vater ein Dalleweyler Odermatt, obwohl er nie da gewohnt hat. Ich habe viele Verwandte in Nidwalden, in Obwalden überhaupt nicht. Irgendwoher (wahrscheinlich ein Anschlag im Seminar) erfahre ich, dass in Lungern, Giswil und in Kerns noch eine Stelle frei ist auf der Schulstufe, die mir eigentlich behagt. Wie soll ich vorgehen? Ruf halt einfach mal an, rät mir meine Mutter. Ich suche die Telefonnummern der Schulpräsidenten dieser drei Orte heraus und rufe einfach mal in Lungern an. Ich war da schon mal in den Ferien. Übrigens telefoniere ich stehend am Wandtelefon im Gang bei mir zu Hause. Man sagt mir, der Schulpräsident wäre nicht zu Hause. Also gebe ich meine Nummer an und bitte die Person, ihm doch von meinem Anruf und meinem Anliegen zu berichten. Natürlich, wird gemacht – ich höre von Lungern überhaupt nichts mehr. Sachseln – kenne ich überhaupt nicht – schon mal durchgefahren, klar, aber sonst? Der Schulpräsident nimmt meine Anfrage höflich entgegen, fragt noch so ein paar Dinge und meint, er rufe bald an. Er bedankt sich für den Anruf, und ich denke: Ist ein Anfang. Aber auch von Sachseln warte ich immer noch auf einen Anruf.
Dritter Anruf (66 55 33), ich bin nervös, habe auf dem Notizzettel peinlich genau notiert, was ich sagen und fragen will, damit ja nichts vergessen geht. Ein Herr Röthlin meldet sich, hört sich mein Sprüchlein an und aus seiner Stimme entnehme ich, dass er offensichtlich recht zufrieden ist. Er macht denn auch gleich den Vorschlag, ich soll doch mal nach Kerns kommen, die Schule und ihn kennenlernen, damit ein allfälliger Entscheid einfacher falle. Ja gern, ich bin zwar nervös, so etwas hatte ich ja auch noch nie gemacht. Also übermorgen Abend – Donnschtig am siebni. Ich bedanke mich höflich, hoffe dabei inständig, dass mein Vater da überhaupt zu Hause ist von wegen Auto und so. Er wird da sein – alles geklärt. Gott sei Dank habe ich den Fahrausweis schon. Im Seminar sage ich kein Wort, keiner und keine soll mir die Stelle wegschnappen. Allerdings – nach Obwalden will eigentlich niemand. Büffeln ist angesagt – die Prüfungen stehen bevor. Zwischendurch kommt bei mir die Frage auf: Was ist, wenn ich das Diplom nicht schaffe? Aber solche Gedanken bringen nichts – es wird schon gehen.
Donnerstag – ich komm eher spät nach Hause und muss pressieren (ich bin so einer, der immer eher zu früh da sein will). Umziehen geht nicht, meine Haare (bis auf die Schultern) sind nicht mehr allzu sauber – aber es muss reichen. Ich gehe ja nicht mit ihm tanzen, aber eben, der erste Eindruck ist halt wichtig.
Kerns – wo ist nur die Schule? Ach, gegenüber der Post, das ist leicht zu finden. Ich steige aus, bin etwas zu früh. Aber nicht viel, Herr Röthlin kommt – mein erster Eindruck ist, grosse und gewichtige Statur, Schnauz und ein breites Lachen im Gesicht. Ich versuche, beim Händedruck nicht in seiner Hand zu verschwinden und drücke auch ziemlich zu (so halbschwache Händedrucke kann ich selber nicht ausstehen).
Er kommt sofort zu Sache, meint, dass in den letzten Jahren oft gute Lehrpersonen gefehlt hätten, weil sich nur wenige ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen gemeldet hätten und dass er froh wäre, wenn er die Stelle für die 5. Klasse mit mir besetzen könnte. Aber zuerst wollen wir doch mal das Schulzimmer angucken, meint er, das gibt schon mal einen Eindruck. Wir steigen ins zweitoberste Stockwerk des alten Schulhauses (uralten) und betreten das ehemalige Handarbeitszimmer (deshalb hat es rote Vorhänge). Ich bin der Praktiker und mir jubelt das Herz: So ein schönes Zimmer! Der Boden karrt aber ziemlich, darunter ist die Wohnung der Familie von Abwart Hermi Kunz. Das sei aber kein Problem. Herr Röthlin zeigt mir noch die Turnhalle und das Lehrerzimmer. Ich bin begeistert!
Was ich denke, fragt er. Ja, ja, ich komme gern nach Kerns, aber zuerst müsse ich in die RS und könne erst im November anfangen. Das ist überhaupt kein Problem, da gibt es eine Stellvertretung. (Beat Wieland, der Sohn vom Schulinspektor)
Ja – dann ist das abgemacht – per Handschlag! Ich heisse übrigens Noldi. Und ich Martin (das weiss er natürlich) Er werde meine Zusage im Schulrat vermerken und die Schulsekretärin (Frau Weisser) werde sich genügend früh melden bezüglich Schlüssel und allgemeiner Infos.
Wir verabschieden uns mit einem festen Händedruck. Ich steige ins Auto und fahre heim. Ich hab eine Stelle! Hoffentlich schaffe ich das Diplom!
Ja – das war mein Vorstellungsgespräch, meine Bewerbung, Probelektion ..... alles in einem Zug, unbürokratisch, per Handschlag – eben echt Noldi. Etwa ein halbes Jahr später (ich bin natürlich immer noch im Militär) ruft das Erziehungsdepartement des Kantons Obwalden unter der regierungsrätlichen Führung von Alfred von Ah meine Mutter an, ich sollte noch eine Kopie des Lehrerpatents einschicken und dazu auch den Lehrvertrag unterschreiben und beilegen. Das waren noch Zeiten!
Für mich war die Amtszeit von Noldi als Schulpräsident genial, für mich hat alles gestimmt – ich denke auch gegenseitig. Seine Tochter Irene durfte ich in der 6. Klasse begleiten und sie hat kürzlich geschrieben: („... Ich erinnere mich auch gut und gerne an die 6. Klasse bei dir. Das war wohl ein Vorteil, dass unser Dädi Schulpräsident war. Wir hatten immer die besten Lehrer :-
Was will man mehr!“)
Martin Odermatt